Achtsamkeit in der Bildschirmzeit für Kinder (klein und groß): Wo es noch keine Globuli für zu viel Mediennutzung gibt, eröffnet die Gewaltfreie Kommunikation neue Möglichkeiten.
- Georg
- vor 5 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Vorwort von Georg von Kreismagie
Hallo liebe/r LeserIn vom Blog von Kreismagie,
heute möchte ich mit dir über ein Thema sprechen, das in vielen Familien – auch in meiner – eine zentrale Rolle spielt: Achtsamkeit in der Mediennutzung.
Und zwar nicht nur als abstraktes Konzept, sondern ganz konkret aus der Perspektive eines Vaters, dessen größter Sohn (12 Jahre) lieber am Computer sitzt, als draußen Fußball zu spielen oder ein Buch zu lesen.
Ich nenne ihn hier Max (lat. der Größte) – und ja, wir haben seit Längerem einen gemeinsamen „Medienvertrag“, den wir mit viel Geduld, Empathie und vor allem mit Gewaltfreier Kommunikation (GfK) entwickelt haben.
Was treibt Max an? Bedürfnisse hinter der Bildschirmzeit
Max ist kein „Problemkind“. Er ist ein lebendiger, kreativer Junge, der sich in seiner digitalen Welt wohlfühlt – und das hat Gründe:
Spaß & Freude: Beim Spielen erlebt er sofortige Erfolgserlebnisse, Abwechslung, Spannung. Es macht ihm einfach Spaß.
Zugehörigkeit: Mit seinen Freunden online zu spielen, bedeutet für ihn: dazugehören, verbunden sein als Teil einer Gemeinschaft.
Selbstbestimmung: Er will selbst entscheiden, wann und wie lange er spielt. Das ist für ihn ein Ausdruck von Autonomie.
Und das ist völlig legitim. Als Vater verstehe ich das. Gleichzeitig sehe ich meine Angst, meine Versagensangst:
Was wird mein Sohn als Erwachsener sagen? "Warum habt ihr mich nicht dazu gebracht, ein Instrument zu spielen? Warum habe ich keinen Kampfsport gelernt? Warum nichts, was mir reale Fähigkeiten gibt?‘“
Ich habe Angst, dass er später bereut, dass er seine Kindheit hauptsächlich am Bildschirm in digitalen Welten verbracht hat – statt im Wald, auf dem Sportplatz oder mit einem Buch in der Hand. Denn ich weiß: Kindheit ist die Zeit, in der wir am meisten ausprobieren können – und sollten.
Achtsamkeit beginnt bei der Zeit – und bei mir
Max sagt selbst: „Es fühlt sich gar nicht lange an, wenn ich spiele.“ Er kann die Zeit noch nicht einschätzen. Ohne Grenzen würde er den ganzen Tag am PC sitzen. Deshalb haben wir gemeinsam eine Medienzeit-Formel entwickelt: Jeder unserer vier Söhne erhält eine altersabhängige Wochenmenge an Medienzeit – egal ob Handy, TV, Switch oder PC. Fairness ist dabei wichtig, denn es gibt drei jüngere Brüder, die ebenfalls ihren Anteil brauchen und auch einfordern.
Herausforderungen – und wie GfK uns rettet
Zweimal hat Max in der Vergangenheit diese Medienzeitgrenze deutlich überschritten – einmal sogar um ganze 40 Stunden in einer Woche. Das war eine kräftige Diskussion – für ihn, weil er damit konfrontiert wurde und Angst hatte, etwas zu verlieren; für mich, weil ich mich fragte, wie ich reagieren soll.
Hier kam die Gewaltfreie Kommunikation ins Spiel.
Statt Strafe („Handy weg!“, „Switch gesperrt!“) haben wir gemeinsam eine Lösung gefunden:
Keine Bestrafung, keine Belohnung – stattdessen Vertrauen und Verantwortung.
Max durfte selbst entscheiden: Statt drei Wochen komplett ohne Konsole portionierte er die Einschränkung auf neun Wochen, durfte dafür jeden Tag ein bisschen spielen.
Am Ende unserer Disskussion konnte er mich hören und verstehen. Ich sagte: „Ich möchte dich schützen – vor Übermüdung, vor Isolation, vor verpassten Chancen.“
Und er verstand: „Papa will mir nicht etwas wegnehmen – er will mich beschützen.“
Das ist der Kern von GfK: Empathie statt Kontrolle. Verständnis statt Vorwurf.
Der Joker – und warum Langeweile manchmal Gold wert ist
Max hat eine „Joker-Karte“: Jede Woche darf er selbst entscheiden, an welchen Tagen er seine Medienzeit aufwendet – etwas weniger unter der Woche, dafür mehr am Wochenende. Das macht es fair und gibt ihm Selbstbestimmung.
Und dann ist da noch etwas, das ich mir wünsche:

Ein „Iphonicum Pro“ – ein magisches Mittel, das einfach dafür sorgt, dass Kinder ihr Smartphone oder das digitale Gerät beiseite legen und stattdessen Dinge ausprobieren, kreativ werden, draußen sind, Musik machen...
(Ja, das ist ein Witz – aber ein ernster.)
Denn Langeweile ist oft der Nährboden für Kreativität. Studien zeigen, dass sich Kinder in Zeiten unstrukturierter Freizeit besonders gut kreativ entfalten – sie erfinden Spiele, basteln, phantasieren, erkunden.
📚 Quelle: Sandi Mann & Rebekah Cadman (2014): „Does Boredom Lead to Creative Thinking?“ – Journal of Creative Behavior.Weitere Studien belegen, dass digitale Reizüberflutung die Fähigkeit zur inneren Ruhe und kreativen Ideenbildung hemmt (vgl. Rosen et al., 2013).
Auch im diesem Artikel der SZ von 2015 wird beschrieben, das gerade Langeweile bei Kindern zur Entwicklung beiträgt. Und ja, es gab bisher keine Tode durch Langeweile;)
Wo bleibt die Familie?
Das größte Problem für mich ist nicht der Bildschirm an sich – sondern die Unverfügbarkeit. Wenn Max spielt, ist er zwar physisch zu Hause – aber mental weit weg. Er nimmt nicht teil, wenn wir als Familie ein Brettspiel spielen oder spazieren gehen.
Deshalb sage ich jetzt nicht mehr: „Spiel nicht so viel!“ Sondern: „Ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen. Wie können wir das schaffen?“
Das ist für mich Achtsamkeit:
Mein Bedürfnis benennen – ohne Schuldzuweisung.
Sein Bedürfnis verstehen – ohne zu missbilligen.
Zusammen eine Lösung finden – mit Respekt und Vertrauen.
Und du? Wie handhabst du die Bildschirmzeit deiner Kinder?
Wie geht es dir mit der Bildschirmzeit deiner Kinder? Hast du schon mal mit der GfK gearbeitet? Oder suchst du nach neuen Ansätzen?
Vielleicht ist dann sogar ein spezifisch ein GfK-Übungsabend zum Thema „Medienzeit mit Kindern“ genau das richtige für dich. Schreib mir einfach eine direkte Nachricht – per Mail, Instagram oder über das Kontaktformular auf www.kreismagie.de .
Bist du dabei?
Achtsamkeit ist kein Zustand – sondern eine Praxis.
Eine Praxis des Zuhörens. Des Verstehens. Des Miteinanders.
Und manchmal auch des Loslassens – und des Vertrauens.
Mit herzlichen Grüßen,
Georg von Kreismagie (Vater, Blogautor, Suchender – und immer noch Schüler des Lebens)
📌 P.S.: Das „Iphonicum Pro“ auf dem Bild ist natürlich ein Witz – aber wer weiß? Vielleicht gibt es bald ein echtes „Anti-Bildschirm-Mittel“… bis dahin: Langeweile, Natur, Bücher und gemeinsame Momente. Die besten Medikamente für die Seele.
Hinweis: Alle Namen und Details wurden zur Wahrung der Privatsphäre angepasst. Die beschriebenen Erfahrungen sind so echt passiert.
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